25 Mrz Herr Tod und Frau Leben – Kurzgeschichte
Herr Tod und Frau Leben
Damals war es dunkel, still und kalt. Einsam und grau. Niemand da. Nichts.Die Welt nichts als ein grauer Ball. Wie ein rundes Wollknäuel hing die Welt im Himmel,
im Universum.Es gab keine Zeit. Keine Geburtstage. War ja auch niemand da, der einen Geburtstag hätte feiern können.
An grauen Stränden voller Sand schwappte graues Wasser vor und zurück. Graue, unbewachsene Berge erhoben sich in einen grauen Himmel. Wie kahle Köpfe sahen sie aus.
Die Welt war ein langweiliger Ort. Öde.
Doch dann geschah etwas, das alles ändern sollte!
An Nord- und Südpol begann jeweils an einer kreisrunden Stelle die Erde zu knirschen wie Schnee, der unter deinen Füßen an besonders kalten Tagen ein trocken reibendes Geräusch macht.
Es knisterte immer lauter.
Dann kam ein Brausen dazu.
Der Boden an der kreisrunden Stelle brach auf und bröselte weg.
Aus der Mitte der beiden Kreise entstand jeweils eine Gestalt.
Am Südpol entstand Frau Leben. Sie war klein, hatte eine wilde rote Lockenmähne und war gekleidet in einen grünen, samtigen Umhang.
Am Nordpol entstand Herr Tod. Er war groß und hager, hatte eine lange, spitze Nase, ganz dunkle Augen und hohle Wangen.
Herr Tod trug einen grauen, löchrigen, faserigen Umhang der um seinen dünnen Körper schlotterte.
Beide, Frau Leben und Herr Tod schauten sich um. Das Knistern und Brausen hatte aufgehört. Ein kleiner Wind wehte, es war still.
Sie verließen, jeder für sich den Kreis aus dem sie gekommen waren und gingen los, die Welt zu erkunden.
Und erstaunliches geschah:
Wo auch immer Frau Lebens Umhang den Boden berührte, entstand Leben.
Kleine Tiere krabbelten heraus, Samenkapseln kullerten auf die Erde, platzten auf und in blitzeschnelle entstand eine Pflanze, eine Blume, ein Busch, ein Bäumchen.
Frau Leben war entzückt, sie klatschte in die Hände, lachte laut auf und lief immer schneller mal da und mal dort entlang, den Blick über die Schulter werfend und das sich entstehende Gewusel mit Freude beobachtend.
Da wo Frau Leben entlang gelaufen war entstand ein Bild, wie du es kennst: Wiesen, Blumen, Büsche, kleine Bäume.
Plötzlich schien die Sonne, die bis dahin geschlafen hatte, da es ja nichts zu bescheinen gab.
In Flüssen und Seen glitzerten die Schuppen der ersten Fische mit dem Sonnenlicht um die Wette.
Frau Leben rannte und rannte, sie gönnte sich keine Pause so sehr freute sie sich über das, was sie sah.
Endlich hatte sie die Erde genau einmal umrundet.
In deiner Vorstellung ist die Welt jetzt grün, bunt und belebt.
Vielleicht stellst du dir einen Urwald vor, Tiere, Sonne und Pflanzen. Aber so war es nicht. Es war ganz anders.
Ratlos stand Frau Leben still. Sie atmete noch schwer von dem langen Lauf und starrte auf das graue, fahle und einsam, öde Land, dass vor ihr lag.
Was war geschehen? Hinter ihr, da wo sie gegangen war, war alles grün und blühend, vor ihr war alles grau. Frau Leben kniete sich hin und nahm ein totes braunes Blatt zwischen die Finger.
Wie konnte das sein? Wo war all das hin, was hinter ihr entstanden war.
Frau Leben überlegte kurz, wandte dem grauen Land den Rücken zu und ging durch die blühende, sonnige Landschaft zurück.
Nachdem Herr Tod am Nordpol aus der kreisrunden Stelle unter Knistern und Brausen entstanden war und er sich einige Zeit umgeschaut hatte, empfand er die Welt als einen sehr schönen Ort. Das Grau, die Ödnis und Stille war ganz nach seinem Geschmack. Herr Tod wanderte durch die graue Stille und schaute sich um.
Nach einiger Zeit passierte er den Südpol und traute seinen Augen nicht: Grünes üppiges, lautes, chaotisches Gewusel wohin das von Sonnenlicht geblendete Auge blickte.
Plötzlich stieß Herr Tod einen markerschütternden Schrei aus: Eine Maus rannte auf seinen nackten, dürren Fuß, blieb kurz sitzen und schaute zu Herrn Tod herauf, dann huschte sie plötzlich wieder weg.
So etwas hatte er noch nie gesehen, und war ziemlich erschrocken. Er sah auf und wieder in dieses helle grün, das ihm so fremd vorkam.
Herr Tod zupfte an seiner langen Nase herum und fragte sich wo all das her gekommen war, wofür es da war und wie es wieder verschwinden konnte, denn dieses Chaos gefiel ihm gar nicht.
Als er weiterging, geschah etwas verblüffendes: Alles verging, wo immer sein Umhang den Boden berührte, Alles was im Werden war, alles was schon bestand, verging und verschwand.
Herrn Tod wurde plötzlich bewusst, was das bedeutete,ihm wurde klar, dass das graue hinter ihm etwas mit ihm zu tun hatte, und als er weiterging sah er dabei über seine Schulter, und dort wo er ging hinterließ er die altbekannte, graue Ödnis.
So war er zufrieden und zerstörte in Seelenruhe alles, was durch Frau Leben entstanden war. Fröhlich wanderte Herr Tod weiter und wurde nicht müde, sich an seiner Wunschwelt zu erfreuen.
Wo Frau Leben und Herr Tod vorher in die gleiche Richtung gelaufen waren, liefen sie jetzt, zunächst ohne es zu wissen, aufeinander zu.
So kam es, dass sie sich eines Tages trafen. Frau Leben kam gerade einen Hügel herunter, der unter der Berührung ihres Umhangs zu blühen begann.
Herr Tod kam auf sie zu und hinterließ die ihm eigene Spur der Verwüstung.
Sie bleiben voreinander stehen und starrten sich an.
Die beiden waren einander ähnlich, und doch wieder nicht.
Augen, Nase, Mund, Arme, Beine, Hände und Füße waren bei beiden an der gleichen Stelle. Und doch waren sie so unterschiedlich, wie man nur sein kann.
Schweigend standen sie da, dann holte Frau Leben tief Luft und begann furchtbar zu schimpfen:
„Du machst alles wieder kaputt“, rief sie, „warum tust du das? “Erst durch mich wurde die Welt schön und so, wie sie sein soll. Und dann kommst du daher und zerstörst alles mit deinem ekligen Umhang! Verschwinde von hier und lass mich die Welt so werden, wie sie vorgesehen ist!“
Herr Tod schaute auf die viel kleinere Frau Leben hinab und sagte mit tiefer, scheppernder Stimme:
„ Woher willst du wissen, wie die Welt aussehen soll? Wer hat dir das gesagt? Woher willst du wissen, dass du recht hast, und nicht ich?“
Frau Leben überlegte eine Zeit und ihr wollte keine Erwiderung einfallen. Herr Tod hatte recht, woher wollten sie beide wissen, wer Recht hatte?
„ Aber es muss doch irgendeinen Sinn haben, dass wir hier sind, Das wir erschaffen oder beenden, dass muss doch für irgendetwas gut sein,sagte Frau Leben ratlos.
„ Ich denke, wir beide haben unsere Aufgabe, es hat einen Sinn, dass wir beide hier sind, und wir müssen herausfinden, was der Sinn ist“ erwiderte Herr Tod.
Beide waren sie müde und erschöpft. Sie waren lange gelaufen und es war aufregend gewesen nach dem langen alleine sein einer ähnlichen Gestalt zu begegnen.
Auf der von Herrn Tod verursachten öden und kahlen Fläche machten die Beiden ein Feuer an. Sie zogen sich Baumstämme heran und setzten sich darauf.
Beide waren nachdenklich.
„ Ich möchte dir etwas zeigen“, sagte Frau Leben, stand auf und ging zu der mit dichtem Grün bewachsenen Fläche hin.
Sie nahm vorsichtig eine kleine, pelzige Kreatur auf ihre flache Hand. Im Feuerschein sahen sie beide, wie das hässliche, kleine Ding aus einem Blatt, dass Frau Leben im hinhielt ein Loch fraß.
Plötzlich spann das Ding Fäden um sich herum und saß nun in einer Art starrer Hülse.
Staunend betrachtete Herr Tod dieses Schauspiel. Nach einiger Zeit begann die Hülse zu wackeln und sie platzte auf.
Das Ding, das vorher in der Hülle verschwunden war kam nun völlig verändert wieder zu Tage. Und dann: Wie großartig und fantastisch! breitete es leuchtend bunt gemusterte Flügel aus und flog von Frau Lebens Hand hoch in den Himmel.
Ein Schmetterling war entstanden.
Als Frau Leben den Blick von dem Schmetterling löste, traf sie Herrn Tods Blick.
Zu ihrer großen Überraschung erhellte ein breites Lächeln sein Gesicht. Seine dunklen Augen leuchteten, kleine Fältchen erschienen rund um seine Augen.
Das sah so nett aus, dass Frau Leben laut auflachte.
Die beiden verfolgten den Schmetterling mit den Augen. Einige Male flog er an ihnen vorüber und jedes Mal erhellte sich Herrn Tods sonst so düsteres Gesicht.
Nach einiger Zeit landete der Schmetterling auf Herrn Tods Hand.
Jetzt sah er wieder anders aus. Seine Farben waren verblasst, seine Flügel hingen kraftlos herunter, seine Fühler zitterten.
„ Was ist passiert?“ rief Frau Leben bestürtzt.
Es war deutlich zu sehen, dass es dem Schmetterling nicht gut ging.
Das Zittern ging von den Fühlern auf den ganzen Schmetterling über.
Sanft berührte Herr Tod mit seinem Umhang den Schmetterling. Das Zittern hörte auf, die Fühler sanken herab, Frieden senkte sich über die kleine Gestalt. Das Leben des Schmetterlings war vorüber.
Herr Tod und Frau Leben schauten sich tief in die Augen.
„ Das scheint der Sinn unseres Hierseins zu sein“, bemerkte Herr Tod mit seiner tiefen Stimme, „ du gibst Leben, und ich nehme es“
„ Ja, aber warum muss Leben denn genommen werden?“ rief Frau Leben „ es ist doch schöner, wenn alles bleiben kann!“
„ Die Zeit des Schmetterlings war vorüber, oder meinst du nicht?“ fragte Herr Tod ruhig „ du hast gesehen, dass es ihm nicht gut ging. Als er nicht mehr war, schien er friedlich.
Plötzlich waren beide, Herr Tod und Frau Leben sehr müde und gönnten sich von all den Erlebnissen eine Pause.
Sie beschlossen, ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen und sie stellten dabei fest, dass sie nicht ständig ihre jeweilige Aufgabe erfüllen mussten, scheinbar ging es auch ohne sie. Sie waren da und mussten auch da sein, aber nicht immer etwas tun.
Es war, als wenn das Kommen und das Gehen auch ohne ihre Hilfe passieren würde, und als hätten sie dem Ganzen nur ihre Namen gegeben: Leben und Tod
So gingen sie eine lange Zeit gemeinsam, lernten voneinander und von dem, für was der andere stand.
Sie begriffen, dass ein Leben ein Ende braucht, damit es auch wieder andere Leben geben kann.
Sie begriffen, dass es Momente gab, wo ein Leben so schmerzvoll dünn durch einen Körper ging, dass der Tod eine Erlösung wurde.
Sie verstanden, dass das Leben mit einer solchen Freude, immer wieder aufs neue kam. Jeden Frühling, mit jeder Geburt eines neuen Wesens.
Aber immer noch machte Frau Leben der Tod, das sterben traurig. Sie wünschte, alle Pflanzen, alle Tiere, alles was lebte, könne auf ewig leben. Frau Leben schätzte Herrn Tod als einen Freund und verstand oft, was ihn bewegte, wenn sie schwer kranke, verletzte, verdorrte Lebewesen trafen. Aber das” immer leben bleiben” war ihr ganz großer Wunsch.
Eines Tages trennten sich für kurze Zeit die Wege von Herrn Tod und Frau Leben, da kam Frau Leben an eine kleine Insel im Meer. Die Insel war umschlossen von felsigen Bergen, und mitten darin lag ein weites, grünes Tal.
“Hier, genau hier ist der perfekte Ort für das ewige Leben” dachte Frau Leben und beschloss dort einen Platz nur für das Leben zu schaffen.
Hier wollte sie alles im Überfluss entstehen lassen. Denn noch immer wollte sie nicht einsehen, dass es auch ein Vergehen, ein Ende im Leben geben muss.
Frau Leben hielt ihre Insel vor Herrn Tod geheim. Regelmäßig trafen sich die beiden, die mittlerweile gute Freunde waren, um gemeinsam ein Stück Weg zu gehen und sich zu unterhalten.
Eines Tages waren die beiden so sehr in ein Gespräch vertieft, dass Frau Leben gar nicht merkte, wohin der Weg sie führte und so stießen sie auf Frau Lebens heimliche Insel.
Erschrocken starrten sie auf das Bild, das sich ihnen bot.
Es herrschte Chaos! Alle Tiere und Pflanzen hatten sich vermehrt, waren immer mehr und mehr geworden.. Es gab keinen Platz und keine Nahrung, es gab kaum Licht, weil manche Pflanzen unfassbar hoch gewachsen waren.
Tiere und Pflanzen kämpften ums Überleben. Kranke Tiere lagen leidend auf dem Boden, gesunde versuchten sie weg zu schieben um mehr Platz zu haben. Es war zwar alles grün und üppig aber auch düster und traurig.
Das war nicht dass, was Frau Leben gewollt hatte, und verzweifelt legte sie ihre Hand auf Herrn Tods Arm.
Herr Tod war wütend und traurig zugleich, nachdem Frau Leben ihm gestanden hatte wie es zu den Zuständen auf der Insel gekommen war.
Langsam ging Herr Tod von einem zu dem anderen Tier, schaute sie genau an und berührte das eine oder andere sanft mit einem Zipfel seines Umhangs, hielt es in den Händen, bis Hunger, Durst, Schmerz und Leid vergangen war. Dabei fielen hinter seinem Umhang welke Blätter von Pflanzen und Bäumen.
Frau Leben stand mit hängenden Schultern da und war furchtbar traurig.
Als Herr Tod sich wieder zu ihr gesellte, nahm Frau Leben seine Hand.
„ Es tut mir leid“, sagte sie, „ ich habe nicht bedacht, was ich damit anrichte, als ich wieder und wieder hier her kam, und neues Leben entstehen ließ.
Herr Tod drückte ihre Hand und zog sie ein Stück weiter zu einem großen, flachen Stein mitten auf einer großen Wiese.
Die beiden setzten sich auf den Stein und schauten über die Wiese zu ihren Füßen.
„ Es ist gar nicht so einfach, ein Gleichgewicht zu halten“ stöhnte Frau Leben „zu viel Leben ist genauso schlecht wie zu wenig Leben. Zuviel Tot genauso schlecht wie zu wenig.“
Herr Tod streckte seine langen, dünnen Beine aus und lehnte sich zurück, so dass er auf dem großen Stein zu liegen kam, er seufzte tief.
Frau Leben tat es ihm gleich und so lagen die beiden nebeneinander und schauten zum Himmel hinauf.
„ Wir wissen doch, dass wir nicht alles alleine tun müssen und auch gar nicht können und sollen,“ brummte Herrn Tods tiefe Stimme.
„ Auf deiner Insel haben sich die Tiere auch ohne deine Hilfe vermehrt und zwischen den kranken Tieren fand ich auch tote Tiere. Ohne dass ich dabei gewesen bin sind sie gestorben. Frau Leben, ich denke, wir sind IN den Dingen und Lebewesen. Wir sind ein Teil von Allem, ein Teil der Welt.“
Frau Leben nickte bedächtig:“ Du bist klug, Herr Tod“, meinte sie schläfrig, „ die Dinge geschehen auch ohne uns. Einfach so, wie die Wolken am Himmel ziehen, geschehen Leben und Tod auch von alleine“ überlegte sie.
Eine lange Weile blieben Frau Leben und Herr Tod auf der Insel. Und sie beobachteten. Tiere wurden geboren, entwickelten sich, gebaren selber, wurden alt und starben. Menschen entstanden und lebten denselben Kreislauf.
Und so, wie Tiere Pflanzen fraßen, fraßen manche Tiere auch andere Tiere.
Einmal gab es viele große, schwarze Käfer. Überall schwirrten und wimmelten sie herum. Die Käfer wurden eine richtige Plage, sie bissen alle Tiere und sogar Frau Leben und Herrn Tod.
Schon immer hatte es auf dieser Insel auch eine leuchtend rote Vogelart mit schillernden grünen Schnäbeln gegeben.
Am liebsten fraßen diese Vögel die großen, schwarzen Käfer. Als die Käfer immer mehr wurden, wurden nach einiger Zeit auch die roten Vögel mehr. Da sie sehr satt wurden, legten die Vögel mehr Eier. Die vielen Vögel fraßen auch viele schwarze Käfer, so dass es bald viel weniger schwarze Käfer gab. Da legten die roten Vögel wieder weniger Eier und wurden auch weniger.
Auch im Kleinen ging es ähnlich zu. Frau Leben zeigte eines Tages Herrn Tod ein faulendes Blatt auf dem Waldboden. Das Blatt war vom Baum gefallen, als der Sommer vorüber war, und war schon welk und am zerfallen.
Frau Leben hob das bröselnde Blatt vorsichtig an und zeigte Herrn Tod einen Pflanzenkeim, der unter dem Blatt zu wachsen begonnen hatte. Er war klein und zart und noch eingerollt. Und doch war er da. Geschützt und genährt durch ein totes Blatt.
Herr Tod und Frau Leben waren zufrieden. Sie waren Teil des Lebens. Teil des Lebens eines jeden Lebewesens. Ob Pflanze, Tier oder Mensch.
Jedes und Jeder trug beides in sich. Für sich und auf seine Art.
Es gab Wesen, denen war das Leben keine Freude, denen kam Herr Tod als Freund.
Vieles lebte sein Leben in vollen Zügen, wuchs, blühte und lebte voller Freude und am Ende eines vollen Lebens kam der Tod wie der Schlaf nach einem langen, schönen Tag.
Anderes schien nicht so recht in das Leben zu passen. Irgendwas stimmte nicht, Pflanzen die nicht blühten und jung verdorrten, Lebewesen die nicht wuchsen, sich nicht entwickelten. Da kam Herr Tod früher als gewöhnlich und nahm auch unfertiges mit sich. Vielleicht weil das Leben sonst zu mühsam gewesen wäre.
Manchmal, bei einem Unfall z.B. war das Ende des Lebens eine logische Folge aus dem, was geschehen war. Es war einfach zu viel an dem Lebewesen zerstört worden um weiter leben zu können.
Zu Frau Leben und Herrn Tod gesellte sich bald ein weiteres Wesen: Die Trauer
Bei Tieren und Menschen war es nämlich so, dass diese traurig waren, wenn jemand aus deren Nähe verschwand.
Wenn wir uns die Gestalt von Herrn Tod und Frau Leben gut vorstellen können so ist es bei der Trauer etwas anderes. Sie wechselt ihre Gestalt, und bei jedem ist sie anders. Mal ist sie dick, grau und schwer, mal ist sie leuchtend, rot, grell und laut- Nach einiger Zeit wird die Trauer dunkel blau und ruhig. Manchmal flackert sie heller, manchmal verhält sie sich ganz ruhig.
Aber sie gehört dazu.
Und das macht die Liebe.
Wenn man etwas liebt, möchte man es bei sich haben. Ist es nicht da, vermisst man es.
So ist das mit der Liebe.
Würde man nichts und niemanden lieben, würde man auch niemanden vermissen.
Die Trauer würde nie bei einem erscheinen, weder rot und grell, noch dick und grau und sie würde niemals blau und ruhig.
Aber dafür müsste man auf die Liebe verzichten.
Und wer würde das wollen? So würde das Leben keinen Spaß machen.
Und es gibt da was gutes, in dir und in mir, immer wenn wir jemanden verlieren, wenn wir jemanden vermissen, jemand uns verloren geht:
Für die, bei denen die Trauer ist, brennt in der eigenen Seele ein kleines Feuer. Manchmal als kleines Flämmchen, manchmal als loderndes, helles und wärmendes Feuer.
Dieses Seelenfeuer wird genährt von den Erinnerungen, an den, den man vermisst, denn diese Erinnerungen bleiben bei einem, für immer. Für immer und ewig.
Und du und ich, jeder, kann sich daran wärmen, wann immer er will erinnern, zu jeder Zeit.
So gehört also die Trauer zur Liebe, wie Frau Leben zu Herrn Tod.
Ohne Frau Leben gäbe es keinen Herrn Tod und ohne Herrn Tod gäbe es keine FrauLeben.
Herr Tod und Frau Leben blieben zusammen. Sie hatten begriffen, dass sie Beide in die Welt gehörten, dass sie Beide ein Teil von Allem waren. Beide wichtig.
Eines Abends, als Herr Tod und Frau Leben auf ihren Lieblingsstein lagen, sagte Frau Leben:
„ Das Leben ist ein Glück, ein Geschenk, und ich wünsche mir, dass jedes Leben gut behandelt und mit Freuden gelebt wird. Aber so, wie jeder schöne Tag in der Nacht endet, endet auch ein Leben irgendwann.“
„ Wir würden die sonnenhellen Tage nicht so lieben, wenn wir nicht um die Nacht wüssten“ brummte Herr Tod, der die Wärme der Sonne nun ebenso liebte, wie Frau Leben graue Wintertage am gemütlichen Feuerchen zu schätzen gelernt hatte.
„und immer kommen da auch neue, die Platz, Licht und Nahrung brauchen“
„So ist es“ antwortete Frau Leben und nahm Herrn Tods Hand. „ wie gut, dass es uns beide gibt!“
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